Chöre, Corona und die kalte Jahreszeit

Das mit dem längerfristigen Niederlassen für Proben ist derzeit für Chöre, egal ob mit großer oder kleiner Sängerzahl, gar nicht mal so leicht. Vielen Chören mangelt es an Möglichkeiten, gemeinsam zu proben. Angestammte Örtlichkeiten sind unter den gegebenen Vorsichtsmaßnahmen oft hinfällig und neue Wege müssen gefunden werden.

Im Nachklang zur Blogparade #kulturalltagcorona und dabei vor allem auch in Anlehnung an den Beitrag von Irina Doelitzsch-Kaufmann mit der Erwähnung zum „gefährlichsten Hobby der Welt“ (Chorgesang) möchte ich einige Betrachtungen aus eigenem Erleben und Gesprächen mit meinem Umfeld schildern.

Vielen Chören mangelt es derzeit noch an Möglichkeiten, gemeinsam zu proben. Von einem „wie früher“ ist man meilenweit entfernt. Angestammte Örtlichkeiten sind unter den gegebenen Vorsichtsmaßnahmen oft hinfällig und neue Wege müssen gefunden werden. Sich per Zoomkonferenz zu treffen ist als Dauerlösung wenig befriedigend. Gemeinsames Singen ist wegen Zeitverzögerungen nicht möglich. Zumindest konnten die technischen Lösungen jedoch in vielen Fällen dafür sorgen, dass die Gemeinschaft innerhalb der Chöre trotz Versammlungsverbots aufrechterhalten werden konnte. Chören, die nun eine Weile lang Freiluftproben veranstaltet haben, drohen mit sinkenden Temperaturen und der frühen Dunkelheit in Kürze erneut Probenausfälle. Ein konsequentes Arbeiten mit dem Ziel, irgendwann einmal wieder richtig auftreten zu können, ist schwer. Ich befürchte, dass vielerorts „nach Corona“ größere Chorkonzerte nur schleppend wieder anlaufen können, wenn es vorab lange an Möglichkeiten zur intensiven Vorbereitung fehlt und man bei Auftritten nicht eng beieinander stehen darf.

Chorauftritt dicht gedrängt
Beim Chorauftritt dicht gedrängt –
ein inzwischen ungewohnter Anblick

Schaut man sich in der Chorlandschaft um, so sind die Ansätze für ein Vorankommen in den kommenden Monaten oder gar bis zur Aufgabe der Abstandsregeln, sehr unterschiedlich. Vieles hängt mit den Vorgaben der jeweiligen Bundesländer und den letztlich bestimmenden kommunalen Verwaltungen zusammen. Darauf verweist auch der Chorverband Niedersachsen-Bremen in einem seiner letzten Newsletter. Ähnlich divers sind auch die vielen unterschiedlichen Hygienekonzepte und Prioritäten der Einrichtungen, in denen „vor Corona“ geprobt wurde. Einige Institutionen, die ansonsten Chöre beherbergt haben, tun sich beispielsweise schwer damit, Chören Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, selbst wenn diese in geeigneter Größe vorhanden wären. In anderen Gebäuden ist hingegen die für notwendig befundene gute Belüftung nicht gegeben.

Viele Chöre haben zwischenzeitlich zu sehr kreativen Lösungen gegriffen, um proben zu können. Der Kölner Chor d’acCHORd fand ein Zuhause auf Zeit im Parkhaus an den Messehallen. In den Sommermonaten wurde vor allem von Acapellachören gerne auf Rasenflächen in Parks ausgewichen. Anderswo gibt es Proben nur stimmenweise und nacheinander in zwei unterschiedlichen Räumlichkeiten, damit sich nichts überschneidet. Alleine die Chorleitung muss zwischen Probenabschnitten einen Raumwechsel vornehmen. Mir sind auch Chöre bekannt, die nach einigen Proben via Zoom im Frühjahr ihre Arbeit niedergelegt haben, bis es komplett neue Möglichkeiten gibt, auch ohne riesige Abstände und vielen zu bedenkenden Extras (Licht, Zugang zu Toiletten, anschließende Reinigung etc.) gemeinsam zu singen.

Ob es letztlich zu einem kleinen Chorsterben kommen wird oder ob diese Gruppen wieder zueinander finden werden, kann ich überhaupt nicht einschätzen. Ein Kammerchor, der ganz entgegen seinem Namen in seiner rund 55-jährigen Geschichte auf eine Größe angewachsen ist, die schon in Zeiten vor Corona nach einem sehr großen Raum verlangte, hat nach monatelanger Stille nun ebenfalls wieder den Probenbetrieb aufgenommen – draußen in einem sehr großen Rondell an einer Schule.


Wohin, wenn’s dunkel wird?

Ich selbst singe in einem kleinen Hobbychor, der sich jahrelang montags in einem Gemeindehaus treffen konnte und sich auch in der Zoomzeit fast jede Woche zusammengefunden hat. Seit gemeinsamer Gesang zumindest draußen wieder möglich war, konnte sich der Chor hinter dem Gebäude im Garten aufstellen und per Verlängerungsschnur auch das E-Piano anschließen. Auf längere Sicht ist der Platz zu dunkel. Selbst jetzt, es ist Mitte September, ist es eine halbe Stunde vor Probenende um 21 Uhr bereits nicht mehr möglich, in die Noten zu schauen.

Ja, inzwischen dürfen Chöre auch in Niedersachsen wieder in Gebäuden gemeinsam singen, aber da ist es wieder: Das Problem mit den Räumen in geeigneter Größe und mit Verfügbarkeit zum benötigten Zeitpunkt. Der Raum, in dem wir uns ursprünglich trafen, ist nicht nur zu klein, sondern wird vormittags von einer Kindergruppe genutzt. Das hätte zusätzlichen Desinfektionsaufwand vor und nach der Probe erfordert. Ein von der Größe her passender Raum im gleichen Gebäude ist alle 14 Tage besetzt und damit nicht nutzbar, die Kirche steht uns (zumindest zum jetzigen Zeitpunkt) nicht zur Verfügung. Es mussten Alternativen her, wenn auch übergangsweise noch draußen, solange im Hintergrund fieberhaft nach Möglichkeiten für Probenräume gesucht wird.

Bei einer Kneipe vor Ort, deren Inhaber gerne kulturelle Angelegenheiten fördert und in der sonst häufiger kleine Konzerte stattfanden, nutzten wir für zwei Montagabende die Terrasse und die dahinter liegende Rasenfläche. Viel Platz, um uns richtig ausbreiten zu können und trotzdem trug die Burgmauer hinter uns dazu bei, dass der Klang nicht komplett verflog. Licht und Stromanschluss für das E-Piano standen zur Verfügung. Wir erhielten als zusätzliche Motivationsmaßnahme sogar eine Runde Freigetränke (Danke!). Die Lage war ideal: Am Rande des Schlossparks kommen abends viele Spaziergänger entlang. Wir freuten uns, Publikum zu haben und die Vorbeilaufenden erfreuten sich an der Musik.

Für den vergangenen und den kommenden Montag konnte ein anderes Ziel organisiert werden. Der Kurpark in Bad Bentheim hat einen Musikpavillon, der von der Kurverwaltung in den Sommermonaten mit unterschiedlichem Programm gefüllt wird. Am 13. September ging die Saison der Kurparkkonzerte an den Sonntagnachmittagen zu Ende, am 14. standen glücklicherweise die Bänke für Zuhörer noch da, außerdem gab es Stühle im Pavillon, die wir auch hätten nutzen können. Strom und Licht sollten ebenfalls vorhanden sein. Leider funktionierte von den zwei Steckdosen vor Ort nur eine, was für E-Piano und Lautsprecher erst einmal genügte. Zusätzlich stellte heraus, dass die Lampen ausgefallen waren. So musste wegen Dunkelheit die Probe verfrüht abgebrochen werden. Bis dahin hatte der Chor aber riesigen Spaß: Die Akustik war endlich wieder einmal so, dass wir uns gegenseitig gut hören konnten. Das sorgte für Begeisterung und auch für ein besseres Zusammenspiel der Stimmen. Der sehr warme Sommerabend hatte einige Kurgäste in den Park gelockt, die uns zuhörten und teilweise sogar die ganze Stunde dabeiblieben – sogar wenn ein Song mehrfach gesungen wurde.
Kommenden Montag bringen wir vorsorglich Lampen mit.

Wie geht es weiter?

Schon seit Wochen wird mit Eifer gesucht nach Räumlichkeiten, die wir nach den Herbstferien nutzen können. Das gestaltet sich sehr schwierig. Natürlich sind wir nicht die einzigen Suchenden. Großartig Miete zahlen können wir auch nicht, denn neben den Chorbeiträgen, die für die Honorare für Chorleitung und Pianist gebraucht werden, konnten wegen fehlender Auftritte keine zusätzlichen Gelder generiert werden. Dadurch fallen als Optionen z.B. die soziokulturellen Zentren weg. Passende Raumgrößen gibt es nicht häufig, hinzu kommen die Abstandsregeln und angepassten Hygienekonzepte. Der Montag als Probenabend ist fix, ein Ausweichen auf andere Abende ist nicht möglich, ohne Mitglieder zu verlieren. Gemeindehäuser, Dorfgemeinschaftshäuser und Schützenvereinshäuser wurden angefragt, auch Scheunen. Etwas Passendes war noch nicht dabei. Wir hoffen, dass wir in keine längere Winterzwangspause gehen müssen und sich in Kürze eine Lösung abzeichnet. Bitte Daumen drücken!

UPDATE (24.09.2020):

Nach wochenlanger Arbeit mit E-Mails und Telefonaten oder der persönlichen Ansprache von Personen, die passend erscheinende Räumlichkeiten verwalten, ist nun eine Lösung gefunden!
Auch darf der Chor für zwei weitere Wochen im Kurpark proben, so dass die Zeit bis zu den Herbstferien abgedeckt ist.

Birgit Baumann
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