Viele Museen leiden nicht erst in jüngster Vergangenheit unter zurückgehenden Besucherzahlen und damit oft verbundenen Finanzierungsschwierigkeiten. Ein Museum muss eine Menge auf die Beine stellen, um neue Zielgruppen zu erschließen oder Besucher zur Wiederkehr zu bewegen. Da reicht es schon lange nicht mehr aus, seine besten Exponate in alten verstaubten Vitrinen zu präsentieren. Neue Konzepte und Ideen müssen her. Die Gesellschaft wandelt sich und die Museen müssen dies berücksichtigen.

Dies hat auch das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum im Schloss Gottorf in Schleswig schon vor Jahren erkannt und einen Masterplan „Gottorf 2025“ erarbeitet. Im Fokus stehen die Neukonzeption der Ausstellung, die Besucherführung und die Barrierefreiheit. Dies erscheint angesichts der zum Teil seit Jahrzehnten nicht vorgenommenen Modernisierungen auch durchaus richtig und enorm wichtig. Doch der Entwurf, der sich gegenüber zahlreichen Konkurrenten letztlich etwas überraschend durchsetzte, ist – vorsichtig ausgedrückt – höchst umstritten und eröffnet ein neues Kapitel in der Debatte um den respektvollen Umgang mit unseren Kunstdenkmälern.

Ein futuristisches Glaskonstrukt als Anbau

Entwurf für den gläsernen Anbau vor dem Ostflügel des Schloss Gottorf in Schleswig vom Züricher Architekturbüro Holzer/Kober. Quelle: Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum
Entwurf für den gläsernen Anbau vor dem Ostflügel des Schloss Gottorf in Schleswig vom Züricher Architekturbüro Holzer/Kober. Quelle: Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum.

Der Entwurf des Züricher Architekturbüros Holzer/Kober sieht einen gläsernen Anbau vor dem Ostflügel vor, der in seiner Wirkung nicht gegensätzlicher zu den historischen Bauteilen der Renaissance und des Barock wirken könnte. Den Verantwortlichen erschien diese Lösung ursprünglich so gewagt und unpassend, dass man den Vorschlag aus Zürich ablehnte und erst nach langer Diskussion 2013 in den Wettbewerb zurückholte. Für Claus von Carnap-Bornheim, dem leitenden Direktor der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen, dienen unter anderem die über 300 Jahre alten Pläne, diesen Bereich mit einem zweiten Hof zu versehen, als Rechtfertigung für die Eingriffe in die historische Bausubstanz. Seitens der Politik zeichnen sich die Kieler Kulturministerin Anke Spoorendonk (SSW) sowie die beiden schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten Bettina Hagedorn (SPD) und Norbert Brackmann (CDU) als entscheidende fördernde Elemente ab.

Plan der Um- und Anbaumaßnahmen für die Schlossinsel des Schloss Gottorf. Quelle: Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum.
Plan der Um- und Anbaumaßnahmen für die Schlossinsel des Schloss Gottorf. Quelle: Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum.

Für die Baumaßnahmen sind insgesamt 31,2 Millionen Euro veranschlagt, die sich Land und Bund teilen. Der Erweiterungsbau allein wird 9 Millionen verschlingen. Binnen 10 Jahren soll die gesamte Schlossinsel neue Akzente erhalten, dessen Kern eben dieser umstrittene Klotz aus Glas ist. Mit einem großzügigen Foyer, einem Veranstaltungsraum mit 350 Plätzen im überdachten Innenhof, einem Vortragssaal, einer klimatisierten Wechsel-Ausstellungsfläche von rund 300 Quadratmetern sowie einem Restaurant wird dieser zumindest funktional eine Bereicherung für das Erlebnis Museum darstellen. Unter ästhetischen Gesichtspunkten wirft er allerdings viele Fragen auf. Insbesondere die Rolle der Denkmalpflege, die in den Planungsprozess einbezogen war, ist zu hinterfragen. Auf der einen Seite scheitern private Eigentümer regelmäßig bei der Einholung der Genehmigung für kleinste Eingriffe am ihren historischen Immobilien, auf der anderen Seite wird eine 31 Millionen teure Umgestaltung eines der bedeutendsten Kunstdenkmäler Schleswig-Holsteins durchgewinkt, die nachhaltig und nachteilig in die Bausubstanz und die ästhetische Wirkung des gesamtes Ensembles eingreift.

Scharfe Kritik in den sozialen Medien

Frank Zarp, Pressesprecher am Schloss Gottorf, gestand in einem Telefonat ein, dass man selbst über die rasche Lösung der Finanzierungsfrage überrascht war. Mit den Zuschüssen vom Bund hätte man erst in einigen Jahren gerechnet. Dies führte nun offensichtlich zu Problemen bei der Transparenz in der Öffentlichkeitsarbeit. Dabei hatte man in Gottorf auf diesem Sektor zunächst eigentlich alles richtig gemacht. Die Pläne und Entwürfe für die Umgestaltung des Schlossareals wurden frühzeitig in einer Ausstellung im Schloss und im Freilichtmuseum Molfsee der Öffentlichkeit präsentiert. Zarp betont, dass die Resonanz darauf allerdings sehr gering ausfiel, was möglicherweise der sehr langfristig konzipierten Planungsphase geschuldet war.

Dies hat sich nun mit Bekanntwerden der konkreten Baupläne für bereits 2018 schlagartig gewandelt. Insbesondere in den sozialen Medien, in denen sich ein kleiner Shitstorm entwickelte, hat man die heftigen Reaktionen offensichtlich unterschätzt. Die Gottorfer Baupläne mit dem modernen Glasanbau lösten heftige Kritik bei der Schleswiger Bevölkerung und weit darüber hinaus aus. Sogar eine Online-Petition wurde ins Leben gerufen. Hunderte Kommentare auf Facebook und anderen Seiten spiegeln nicht nur das Meinungsbild, sondern auch die Befürchtungen wider, die man mit der Umgestaltung verbindet. Stimmen, die dem Vorhaben positiv gegenüber stehen, sind in der großen Masse kaum auszumachen. Das mag zwar in der vielfach polemisierenden Meinungsbildung, die in sozialen Medien üblich ist, nicht zwingend ausschlaggebend sein, doch unterstelle ich den meisten an Kulturgütern interessierten Schreibern einen gewissen Bildungsgrad, der dazu befähigt, sich mit der Thematik sachgerecht auseinander zu setzen. Insofern ist dem Schloss Gottorf ein Supergau in der Öffentlichkeitsarbeit zu bescheinigen. Offensichtlich ist es nicht gelungen, die breite Öffentlichkeit in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.

Als Kunsthistoriker und Bauforscher fällt es mir schwer, mit anzusehen, wie das Ensemble des Schlosses Gottorf durch einen groben gläsernen Klotz verschandelt werden soll. Behutsamer Umgang mit historischer Bausubstanz sieht anders aus. Es müssen Wege und Konzepte gefunden werden, die dringend notwendige Modernisierungen mit Rücksicht auf historisch gewachsene Strukturen ermöglichen. Nur, wenn man den Ausgleich zwischen beiden Interessenschwerpunkten herstellt und nicht das eine für das andere opfert, ist ein nachhaltiger Museumsbetrieb möglich. Leider ist zu befürchten, dass man in Schleswig bereits unumkehrbare Fakten geschaffen hat, ohne den potentiellen Besucher zu befragen. Vielleicht wird man zukünftig die Besucher des neu konzipierte Museumsinsel zur Evaluation bitten. Dabei müssten aber vor allem diejenigen gefragt werden, die in Zukunft dem Schloss fernbleiben, die Nicht-Besucher.

In einer Zeit, in der vielerorts die Besinnung auf historisch gewachsene Zusammenhänge auch in der Politik endlich anzukommen scheint, ist das Gottorfer Glaskonstrukt ein Signal in die falsche Richtung. In vielen Städten beginnt man zu erkennen, dass die Menschen sich den identitätsstiftenden Altstädten nur dann zuwenden, wenn sie nicht durch gesichtslose moderne Neubauten entstellt sind. Bezeichnenderweise sind fast überall Bürgerinitiativen die treibenden Kräfte, die sich dem Irrweg der letzten Jahrzehnte entgegen gestemmt haben. In Hildesheim entstand bereits in der 80er Jahren der historische Marktplatz neu, in Dresden wurde nach der Wende nicht nur die Frauenkirche, sondern der gesamte Neumarkt in historischer Anlehnung wieder errichtet. Berlin und Potsdam bekommen oder haben bereits ihre Stadtschlösser wieder bekommen. In Frankfurt am Main konnte jüngst das Richtfest zum Wiederaufbau eines großen Teils der Altstadt gefeiert werden.

Der Originalbeitrag wurde am 22.11.2016 auf Zeilenabstand.net veröffentlicht und uns freundlicherweise durch den Autor zur Verfügung gestellt. Den Originalbeitrag finden Sie hier: „Schloss Gottorf und sein Masterplan“.

Damian Kaufmann

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