Der Ausbruch der Sars-Covid-19 Pandemie in Deutschland hat, so glaube ich, alle in der Kulturszene überrascht. Von der Handlungsempfehlung zum häufigeren und gründlichen Händewaschen über die Maskenpflicht in Supermärkten bis zur Schließung von Museen vergingen nur wenige Tage und die Situation war für mich irgendwie irreal. Man wollte einfach nicht wahrhaben, wie schnell so etwas gehen kann. Ich habe den Lockdown und das spätere Lockup mit zwei unterschiedlichen Einrichtungen erlebt, denn neben meinem Hauptberuf als Museumsleiter eines naturkundlichen Museums mit Zoo und Park, engagiere ich mich als ehrenamtlicher Leiter eines kleinen Schifffahrtsmuseums.
Die Ausgangslage
Zunächst möchte ich kurz die Phase in meinem hauptamtlich geführten Museum beschreiben. Am 9. März 2020 musste ich in meinen Abteilungsleitern mitteilen, dass wir das Museum mit sofortiger Wirkung schließen werden. Zu diesem Zeitpunkt steckten die meisten Mitarbeiter noch komplett in der Vorbereitung der neuen Sonderausstellung, die Zeit war knapp und es wurde gerade stressig. Bis zur geplanten Eröffnung der Sonderausstellung sollte nun zunächst die Schließung dauern und viele Mitarbeiter waren zunächst ganz dankbar dafür, dass mit der Schließung für den Besucherverkehr auch etwas Zeit für die Fertigstellung der Ausstellung gewonnen werden konnte. Nach einigen Tagen stand jedoch, fest, dass die Wiedereröffnung des Museums noch etwas dauern würde. Ohne Zeitdruck wurde weiter an der Ausstellung „EQUUS – Auf den Spuren der Pferde“ gebaut. Allerdings traten immer mehr andere Themen in den Vordergrund. Als verantwortlicher Leiter trieben mich natürlich die Zahlen um, denn die fehlenden Einnahmen durch die Besucher und die immer häufiger eintreffenden Stornierungen von Angeboten für Schulklassen ließen einen großen wirtschaftlichen Verlust erahnen. Anderen Mitarbeitern erging es in dieser speziellen Situation anders. Doch dazu später mehr.
Im Schifffahrtsmuseum war die Situation etwas anders. Unmittelbar vor dem Lockdown veranstaltete der Förderverein noch sein traditionelles Labskausesssen und die Planungen für die Saisoneröffnung, welche traditionell am Ostersonntag stattfindet, begannen. Die verordnete Schließung der Museen tangierte uns zunächst nicht, wir hatten noch gar nicht wieder geöffnet. Erst als klar wurde, dass der Lockdown auch über Ostern andauern würde, begannen wir uns ernsthafte Sorgen zu machen. Die große Eröffnungsfeier musste ausfallen. Man konnte auch die ehrenamtlichen Mitarbeiter nicht ins Museum bitten, um die Ausstellungen zu bauen, denn es herrschte Kontaktsperre. So begann eine Zeit, in welcher das gemeinsame Miteinander im Museum fast vollständig zu erliegen kam. Man muss dazu erklären, dass dieses Museum neben den musealen auch soziale Aufgaben übernommen hat. Für viele Einheimische, überwiegend ältere Menschen, die mit der Seefahrt aufgewachsen sind und auch in der Schifffahrt gearbeitet haben, ist das Museum ein sozialer Treffpunkt, ein „place to be“, wie man neudeutsch sagen könnte. Dieser Treffpunkt fehlte nun über viele Wochen. Hinzu kam noch ein anderes Problem, nämlich der Fortgang der zur Eröffnung vorbereitenden Arbeiten.
Wenn man seine Mitstreiter, seine Kollegen, seine Freude aber nicht regelmäßig um sich hat, so geraten einige Dinge in den Hintergrund. Projekte wurden etwas zögerlicher verfolgt und jeder versuchte erst einmal in seinem eigenen Umfeld die Auswirkungen der Pandemie zu verarbeiten.
Nach der Absage der Saisoneröffnung hatte sich der Vorstand des Museums mehrfach getroffen und beraten, wie es weiter gehen sollte. Auch wenn seit dem 7. Mai 2020 die niedersächsischen Museen wieder öffnen dürften, so schied dies für unser ehrenamtliches Museum zunächst einmal aus. Dies geschah im Wesentlichen aus zwei Gründen. Zum einen mussten wir das Museum „coronagerecht“ herrichten, mit Tröpfcheschutzscheiben, Desinfektionsmittelspender und überarbeiteten Hinweisschildern zur Besucherführung. Dies nahm Zeit in Anspruch, war doch beispielsweise das berühmte Acrylglas über Wochen in Baumärkten und Onlineshops ausverkauft.
Der zweite Grund war, dass wir mit unseren ehrenamtlichen Kassen und Aufsichtspersonal zu 90% Personen aus den Hochrisikogruppen haben. Zudem waren wir nicht davon überzeugt, dass sich im Rahmen des Museumsdienstes die Abstandsregeln einhalten ließen. Auch wenn man den Gast, geschützt durch eine Glasscheibe begrüßt, ist der Effekt schnell zunichte gemacht, wenn man im Anschluss gemeinsam am Tisch sitzt und Kaffee trinkt. Zumindest war dies unsere Befürchtung.
Das Natureum öffnet wieder
Zurück zum Naturkundemuseum. Der Lockdown bescherte einigen Mitarbeitern etwas sehr rares: ZEIT. Plötzlich konnten Projekte in Ruhe abgearbeitet werden und dies sorgte merklich für eine sehr gute Stimmung, auch wenn immer und immer wieder „Corona“ das beherrschende Thema war, und man eifrig über mögliche Lockerungen diskutierte. Besonders aufreibend war es in dieser Zeit die sich fast täglich ändernden Vorordnung zum Schutz gegen Covid19 zu studieren. Welche Auflagen müssen wir einhalten, wie viele Personen dürfen sich auf wie vielen Quadratmeter Ausstellungsfläche aufhalten, etc.
Die Erfindung des „Zauberstabs“
Dann rückte die Öffnung plötzlich tatsächlich näher und wir legten letzte Hand an die Sonderausstellung. Ungefähr einen Tag vor der Eröffnung wurde uns plötzlich das Problem bewusst, dass wir viele Objekte in unseren Ausstellungen haben, die angefasst werden sollen. Textklappen, Drehtafeln, Drehscheiben oder einfach „Knopfdrücker“. Die hätten nach jedem Besucher desinfiziert werden müssen! Was sollten wir nun tun? Die Objekte zu sperren war keine Lösung. Zum Glück kam eine Mitarbeiterin auf die Idee, den Besuchern am Eingang kurz Holzstöcke in die Hand zu geben. Holzstöcke haben wir auf unserem 10 Hektar großen Gelände zur Genüge. Außerdem ist der Zweig oder Ast vermutlich das älteste Werkzeug des Menschen und daher passte dies auch. Den Besuchern wird der Ast natürlich als „Zauberstab“ zum Bedienen der interaktiven Ausstellungselemente angepriesen. Nach der Benutzung kann der Zweig problemlos in der Natur entsorgt werden.
Wo bleiben die Besucher?
Am 7. Mai konnten wir dann endlich wieder unsere Türen öffnen, aber die Besucher strömten eher verhalten zu uns. Erst gegen Ende Mai stiegen die Besuchszahlen etwas an. Natürlich machte sich auch bemerkbar, dass keine Schulklassen zu uns kamen. Mit dem Beginn der Ferien in NRW Ende Juni stiegen dann die Besucherzahlen an. Wir können deshalb auf einen sehr erfolgreichen Juli zurückblicken, so erfolgreich, dass wir tatsächlich einige Angebote, dies es bereits wieder bei uns gegeben hatte, zurückziehen mussten. Die kommentierten Tierfütterungen mussten eingestellt werden, weil sich die Besucher nicht an die Abstandsregeln hielten.
Dennoch hat „Corona“ uns einen immensen wirtschaftlichen Verlust beschert, der auch durch die guten Besucherzahlen der letzten Wochen nicht zu kompensieren ist. Der Landkreis Stade als Stifter unseres Museums hat über das Stiftungskuratorium zugesagt, die Liquidität der Einrichtung zu sichern. Dennoch bleibt die Frage, wie sich die wirtschaftliche Situation für uns in den kommenden Jahren entwickeln wird.
Späte Saisoneröffnung im Schifffahrtsmuseum
Auch das Schifffahrtsmuseum hat mit den wirtschaftlichen Folgen zu kämpfen, wenn auch nicht so existenziell wie andere Kultureinrichtungen. Da bisher keine Personalkosten anfielen, die Miete für Museumsgebäude eher symbolischen Wert hat und der Verbrauch von Strom zurückgegangen ist, hielten sich die monatlichen Belastungen in Grenzen.
Am 18. Juli 2020 konnten wir das Museum wieder öffnen und fanden zu unserer großen Erleichterung auch genügend freiwillige Mitstreiter, die den ehrenamtlichen Kassen- und Wachdienst im Museum leisten. Die Befürchtung, dass ein Teil unserer ehrenamtlich Tätigen wegen Corona keinen Museumsdienst machen wollte, war fast gänzlich unbegründet. Lediglich zwei Personen schlossen einen Einsatz zu Coronazeiten aus. Somit sind wir im Moment ganz optimistisch, dass wir die Saison 2020 noch gut abschließen können.
Wie geht es weiter?
Für beide Einrichtungen stelle ich mir jedoch die Frage, wie sich die Lage in den nächsten Jahren entwickelt. Der wirtschaftliche Einbruch wird sich spätestens im nächsten Jahr in den Haushalten der Gebietskörperschaften widerspiegeln. Ob dann noch eine Förderung der Einrichtungen möglich sein wird, darf bezweifelt werden, zumal die Kultur in den meisten deutschen Bundesländern eine freiwillige Leistung ist. Daher plädiere ich auch dafür, dass die Förderung von Kunst und Kultur in die Landesverfassungen als Pflichtaufgabe aufzunehmen ist. In Niedersachsen habe ich diesbezüglich bereits dem zuständigen Minister Björn Thümler gesprochen, der mir versicherte, dass im Ministerium für Wissenschaft und Kultur bereits an einer Umsetzung dieser Forderung gearbeitet wird. Hoffentlich erfolgt eine Umsetzung noch rechtzeitig.
Der Beitrag ist Teil der gemeinsamen Blogparade #KulturAlltagCorona von Kultur hoch N und Zeilenabstand.net.
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Lieber Lars,
ein sehr schöner Artikel! Informativ und authentisch.
Die Förderung von Kunst und Kultur in die Landesverfassungen als Pflichtaufgabe aufzunehmen, ist ein sehr guter Gedanke. Daran müssten alle Kulturträger Interesse haben. Gibt es eine Möglichkeit, sich zusammenzuschließen und so eine „lautere“ Stimme zu haben?
Grüße aus dem Nordwesten
Irina